Vor sechs Jahren habe ich die zahllosen, sehr unterschiedlichen Spuren, die der Schauspieler und Auschwitz-Überlebende Kurt Brüssow (Stettin 1910-Seeshaupt/Penzberg, Bayern 1988) hinterlassen hat, in meiner Publikation „Was bleibt, wenn der Vorhang fällt.“ wie in einem Kaleidoskop zusammengefügt, um ihn zu würdigen.
Ein Mensch mit vielen, sehr vielen Facetten: Kreativität, Veränderungswillen und Veränderungsfähigkeit, politische Haltung und politisches Handeln, hohe Kommunikationsfähigkeit und ansteckende Überzeugungskraft, Widerstandsfähigkeit gegen Willkür bis zur fast tödlichen Konsequenz, gleichzeitig Zugewandtheit und starke familiäre Bindung und Verantwortungsübernahme: trotz oder gerade wegen (?) der jahrelangen Torturen, Quälereien und Folterungen und der Kastration in Auschwitz.
Es hat mich daher wenig überrascht, dass Brüssow auf diejenigen, die von diesem Lebensweg und seiner Widerständigkeit erfuhren, „ansteckend“ wirkte. Es freut mich sehr, dass zahlreiche Personen und Initiativen seine Geschichte oder Teile davon aufgegriffen haben, um sie weiterzuverbreiten.
Die Initiative zur Verlegung eines Stolpersteins für Kurt vor seinem geliebten Theater in Greifswald war nicht nur mir eine Herzensangelegenheit. Mit viel tatkräftiger Unterstützung gelang die Verlegung an seinem 110ten Geburtstag, dem 9. Dezember 2020 – trotz der starken Einschränkungen durch die Corona-Pandemiezeit.
Es folgten zahllose Beiträge in Hörfunk, Presse, in Büchern und Broschüren, als Podcasts, in einer bundesweiten Ausstellung, durch Schulprojekte, durch eine neu entwickelte „Theaterszene“, in der die Denunzierung von Brüssow aufgegriffen wurde und als Mittel der Auseinandersetzung im schulischen Zusammenhang eingesetzt wurde. Es gelang außerdem, noch einen Zeitzeugen zu finden und zu interviewen, der Kurt noch aus dem Jahr 1945 (!) kannte. Dieser Zeitzeuge ist inzwischen im hohen Alter von 97 Jahren verstorben.
Jetzt steht ein weiterer Schritt zur Würdigung von Kurt auf dem Programm :
Im Rahmen der Serie „Verbotene Liebe“ (ZDF Info) wird am Auschwitz-Gedenktag, dem 27. Januar 2026 die dritte Folge („Queere Überlebende der NS-Diktatur”) gezeigt. Es freut mich, dass der Schauspieler Jannik Schümann und ich darin einem breiteren Publikum die Persönlichkeit und einige Stationen des Lebensweges von Kurt Brüssow näherbringen können.
Mein Dank gilt allen, die das ermöglicht haben!
Die Reihe findet sich in der ZDF-Mediathek, seien Sie so neugierig wie ich auf das Ergebnis!
Jürgen Wenke, im Dezember 2025